+++ Die Wähler haben bei der Bundestagswahl 2017 Weichen gestellt. Die Volksparteien werden immer kleiner, zugleich sind mehr Parteien im Bundestag vertreten, der Liberalismus ist wieder im Parlament und das rechte Lager hat sich geteilt – wie zuvor das linke, als sich die Grünen und später die PDS/Linke etablierten. Die SPD liegt bei nur 20%. Die Dauerkanzlerin Merkel ist massiv angeschlagen. Sie brachte es fertig, zugleich zu sagen, dass sich „2015 nicht wiederholen darf“ und dass sie alles noch einmal genauso machen würde. CSU-Chef Seehofer steht vor der Ablösung.
Uns Freien Demokraten gelang ein Erfolg, der noch vor einem Jahr nicht zu erwarten war. Wir erreichten den Wiederein-zug in den Bundestag, zugleich ein zweistelliges Ergebnis und sind stärker als Linke und Grüne. Das war wichtig sowohl für die FDP als Partei, aber auch für Deutschland. Denn nur die FDP tritt entschieden für die Soziale Marktwirtschaft ein, die die Basis unseres Wohlstands ist, und verhindert, dass sie zum französischen oder italienischen Wirtschaftsmodell umgebaut wird.
+++ Die AfD konnte Rechtsradikale mobilisieren sowie Protestwähler von CDU/CSU, SPD und der Linken. Ihre Taktik war einfach: Gauland und Co. provozierten mit grenzwertigen Sprüchen, die hysterisierte Öffentlichkeit – als ob es abgesprochen worden wäre – reagierte aufgebracht, mit der Folge, dass die AfD das beherrschende Thema in Talkshows und Medien war. Wird die AfD Bestand haben? Sie hat ein hohes Potential zur Selbstzerstörung, allerdings bietet sie den vielen Unzufriedenen eine stabilisierende Struktur. Wie soll man mit der AfD im Bundestag umgehen? Alexander Graf Lambsdorff sagt richtig: „ruhig, aber konsequent … nicht aber mit hysterische Moralsucht.“ Die mittlerweile legendäre Rede von Rülke im Landtag von Baden-Württemberg zeigt das in der Praxis.
+++ Was Deutschland jetzt dringend braucht, sind die Trendwenden, die die FDP fordert. Wir müssen bei der Digitalisierung und Modernisierung den Rückstand aufholen, den uns die große Koalition beschert hat. Weiterhin müssen wir den fatalen Trend umkehren, dass der Staat in vielen Bereichen – bei allem Einsatz der Mitarbeiter – offenkundig nur einge-schränkt funktionsfähig ist wegen eklatanter Schwächen an politischer Führung und effektiver Verwaltung. Dies lässt bei vielen Bürgern das Vertrauen in den Staat erodieren und kann zum Erstarken der radikalen Parteien führen.
Die Schwächen der Behörden zeigen sich zum Beispiel beim Thema Flüchtlinge. Ob beim Attentat von Amri in Berlin, beim Mord in Freiburg oder beim Bundeswehrsoldaten, der sich als Syrer ausgab, in allen Fällen ergab die Analyse im Vorfeld mangelnde politische Führung, unzureichende Koordination, Ressourcen und Ausrüstung der Behörden sowie fehlende Tatkraft. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge versagt auf der ganzen Linie.
Unsere Justiz ist überlastet. Stand Juni 2017 waren mehr als 320.000 Asylklagen bei den Verwaltungsgerichten anhängig, also hat jedes der 51 Gerichte im Durchschnitt 6.300 Asylklagen zu behandeln. Das hat gravierende Folgen nicht nur für Asylbewerber, sondern für alle Bürger. Wer sein Recht vor Gericht erreichen will, wird lange, lange auf ein Urteil warten. Richter und Staatsanwälte warnen, dass in Berlin – nicht gerade bekannt für effiziente Verwaltung – die Verfolgung schwerer Kriminalität nicht mehr gewährleistet ist und dass Straftäter freigelassen werden müssen, weil die Justiz die Prozesse nicht in den vorgegebenen Fristen behandeln kann.
In anderen Bereiche fällt das Urteil ebenso negativ aus: die Infrastruktur bei Straße, Schienen und Daten wird seit Jahren vernachlässigt. Wir leisten uns ein überzogenes Planungsrecht und haben gleichzeitig zu wenig Personal in den Planungsbehörden. Die Rheintaltrasse der Bahn, die unzähligen Brückenschäden, der Berliner Flughafen sind bekannte Bei-spiele. Unser Bildungssystem liefert immer schlechtere Resultate. Völlig unvorbereitet werden den Schulen Inklu-sion und Flüchtlingsintegration aufgedrückt. Als Folge haben alle Beteiligten massive Nachteile zu erleiden. Immer wieder die Erkenntnis: ja, wir haben ein Problem. Doch, was machen jetzt die Verantwortlichen? Reagieren sie überhaupt? Oder haben wir gelernt, die Problemen zu erdulden?
+++ In den Sondierungen über eine Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen wird entschieden, ob wir die Trendwen-den in den nächsten vier Jahren anpacken werden. Die Gespräche sind naturgemäß sehr schwierig. Es ist logisch, dass in dieser möglichen Dreierkoalition jede Seite mehr Zugeständnisse machen muss als in einer Zweierkoalition. Der Ausgang ist offen.
+++ Die EZB hat verkündet, die Märkte weiterhin mit Geld fluten, zwar mit geringeren Beträgen, dafür länger. Das wahre Motiv von Draghi ist, Italien und Co. bei der Haushaltsfinanzierung zu helfen. Leider nutzen die Länder diese Hilfe nicht zur Lösung ihrer Probleme, sondern schieben die dringend erforderlichen Reformen auf die lange Bank. Dieses verantwortungslose Verhalten ist das Kernproblem der EU. Solange es existiert, bringt es nichts, mehr Geld zu geben. Als Folge von Draghis Vorgehen bleiben die Zinsen sehr niedrig. Das ist gut für die Regierungen, schlecht für die Sparer und langfris-tig fatal für unser Finanzsystem. Denn der Zins ist der Preis für das Geld, Und ein Markt funktioniert nur, wenn der Preis sich durch Angebot und Nachfrage frei bilden kann.
+++ Ein immenses Risiko für uns sind die Targetsalden im Verrechnungssystem der europäischen Zentralbanken. Deutschland hat 850 Mrd. € Forderungen an Italien, Spanien und Griechenland. Diese Targetsalden sind keine offi-ziellen Kredite, die Länder lassen bei uns „anschreiben“. Wenn die EZB etwa einem japanischen Investor mit Sitz in Frankfurt eine italienische Staatsanleihe abkauft, dann überweist die Deutsche Bundesbank dem japanischen Investor das Geld. Die italie-nische Zentralbank begleicht gemäß den Regeln nicht ihre Schuld bei der Bundesbank, sondern lässt sie als Verbindlichkeit auf Dauer stehen. Die Frage ist, ob die Bundesbank und damit der deutsche Staat dieses Geld jemals eintreiben können.
+++ Die linksextremen Gewalttäter, die beim G20-Gipfel in Hamburg Straßenzüge verwüsteten, Läden plünderten und Autos abfackelten, haben uns schockiert. Ebenso schockiert, wie viel Verständnis für linke Gewalt bis in die Mitte der Gesellschaft herrscht. Die Linke akzeptiert partei-interne Plattformen, die der Verfassungsschutz als linksextremistisch einstuft. Und die Jugendorganisationen der Grünen und der SPD kooperieren mit gewaltbereiten Gruppen wie der „Antifa“. Gleiches tun Organisationen wie Attac (welch friedfertiger Name!). Übrigens, Mitglied bei Attac sind ver.di, der Bund für Naturschutz in Deutschland, pax christi (!) und andere. Die Freien Demokraten haben eine klare Position: Die Gesellschaft darf bei Extremismus und Gewalt nicht blind sein, weder bei Rechtsextremen, noch bei Islamisten, noch bei Fußball-Hooligans und eben auch nicht bei Linksextremen.
+++ Beim Thema Diesel und Emissionen muss man unterscheiden. Wenn VW und andere Autofirmen bei ihren Autos Eigenschaften zusagen und sie nicht einhalten, muss die gesetzliche Gewährleistung zum Tragen kommen. Die Autofirmen müssen alle Kosten tragen, nicht die Autokäufer oder der Staat. Bei den Emissionen lässt der Staat ein Chaos an Grenz-werten zu. Für Stickoxide auf der Straße gilt der Grenzwert 40 mikrogramm/m3, am Arbeitsplatz dürfen es 950 mikrogramm/ m3 sein. Auf einer solchen Grundlage kann man nicht zigtausende Dieselfahrer mit einem Fahrverbot strafen. Auch müssen bei den Emissionen alle Verursacher gemäß ihren Anteil betrachtet werden, nicht nur der Verbrennungsmotor. Man sollte auch wissen, dass in den letzten 20 Jahren die Luft in den Städten deutlich besser geworden ist. Jedoch wurden die Grenzwerte noch schneller gesenkt.
+++ Grundschüler können deutlich schlechter rechnen, schreiben und zuhören als vor fünf Jahren. Dies ergab der IQB-Vergleichstest für die Fächer Deutsch und Mathe in der 4. Klasse. Besonders stark war die Verschlechterung in Baden-Württemberg. Es ist paradox. Ständig wird betont, wie wichtig Bildung ist, doch die praktizierte Bildungspolitik lässt das Niveau ständig sinken. Der Wunsch, die Gesellschaft zu verändern, hat bei vielen Bildungspolitikern höhere Priorität als der Lernerfolg.
+++ Die Landesregierungen in Baden-Württemberg – ob schwarz-gelb, grün-rot oder grün-schwarz – haben beim Stellen-aufbau in Summe gebremst: +1,9% von 2007 bis 2017. Doch bei der Ministerialbürokratie haben erst grün-rot und jetzt grün-schwarz massiv zugelangt. Sie nahm von 2010 bis 2017 um 15% zu! Also immer mehr Häuptlinge, aber nicht mehr Indianer! Ein Teil des Aufbaus wurde als „kw“ deklariert: „künftig wegfallend“. Dieses Versprechen wurde nicht eingehalten.
Zum Welt-Klimagipfels in Bonn ein paar Fakten und Gedanken zu Klimaschutz und Energiewende:
Zum Welt-Klimagipfel in Bonn sind 25.000 Teilnehmer angereist. Gastgeber sind die Fidschi-Inseln, Deutschland richtet das Treffen aus und trägt die Kosten von 117 Mio. €. Dort und ebenso bei den Jamaika-Sondierungen steht das deutsche Klimaziel für 2020 im Blickfeld. Ihm zufolge sollen die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 40% gesenkt werden. Damit wollte Deutschland Vorreiter im Klimaschutz sein, die EU-Staaten sollten um 30% reduzieren. Dieses Ziel schrieben SPD/Grüne 2002 in den Koalitionsvertrag und keine der Folgeregierungen rückte davon ab.
Mittlerweile glaubt kein Experte, dass das Ziel erreicht wird. Die Prognosen halten 32% Reduzierung für realistisch. Zum einen war es extrem ehrgeizig, zum anderen änderten sich die Prämissen entscheidend. So beschloss Merkel 2011 den Atomausstieg, die Bevölkerungszahl in Deutschland nahm nicht ab, sondern zu, die Wirtschaft wuchs stärker als erwartet und die Ölpreise stiegen nicht kontinuierlich, sondern sanken wegen des Frackings in den USA, und sie dürften dauerhaft niedrig bleiben. Auch die Biokraftstoffe floppten. Die Autofahrer wollten den E10-Sprit nicht haben und es entstand die Diskussion ob die Biokraftstoffe die Nahrungsproduktion behinderten. Das alles hatte negative Effekte für die CO2–Reduzierung.
Im übrigen gilt es, diese Fakten zu bedenken:
+ Die Reduzierung von CO2 und damit der Klimaschutz haben für Deutschland nur die zweite Priorität. Die erste Priorität hat der Atomausstieg. Denn Atomkraftwerke stoßen kein CO2 aus und daher belastet der Atomausstieg die CO2-Bilanz. Diese Entscheidung kann man treffen – schließlich ist der Atommüll problematisch – man sollte dann aber öffentlich dazu stehen und nicht, was üblich ist, den Gegensatz zwischen Atomausstieg und CO2-Reduzierung verschweigen.
+ Wir Stromkunden zahlen 25 Mrd. € Subventionen im Jahr für Fotovoltaik und Windkraft; hinzu kommen mehrere Mrd. € pro Jahr für zusätzliche Netzentgelte, Steuern etc. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erhalten die Betreiber von Foto-voltaik- und Windkraftanlagen 20 Jahre staatlich garantiert sehr hohe Preise. Sie dürfen Strom ins Netz einspeisen, selbst wenn dieser nicht gebraucht wird, und erzielen eine Rendite von über 6%, wie gesagt auf 20 Jahre garantiert. Andere Anleger müssen sich mit Zinsen zwischen 0 und 1% zufrieden geben, die nicht einmal die Inflation ausgleichen. Das Ganze hat auch ein unsoziales Element: Wer kein Geld für ein Haus hat, kann von den Subventionen nicht profitieren. Er darf aber die erhöhten Strompreise zahlen.
+ Das Irrsinnige daran ist: Diese enormen Subventionen führen nicht zur Verminderung des CO2–Ausstoß in Europa. Denn wir nehmen Teil am europäischen Handel mit CO2-Emissionsrechten. Was bei uns an CO2 eingespart wird, wird in den anderen Ländern zusätzlich ausgestoßen, so dass der Effekt für Europa gleich null ist. Nationale Klimaziele sind in Europa also sinnlos.
+ Der europäische Emissionshandel als System funktioniert. Jedes Jahr wird die erlaubte Menge des CO2-Ausstoßes redu-ziert. Das Ziel, bis 2020 gegenüber 1990 mindestens 20 Prozent CO2 einzusparen, wird erreicht. Wenn der Staat mehr für die Umwelt tun will, wär es am einfachsten, Verschmutzungsrechte im europäischen Emissionshandel zu kaufen und vom Markt zu nehmen.
+ Die erneuerbaren Energien können unsere Energieversorgung nicht sicherstellen. Denn wenn Dunkelflaute herrscht, also der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, sind wir komplett auf herkömmliche Energieerzeugung angewiesen. Es gibt keine Speicher, die Energie in ausreichender Menge und zu akzeptablen Kosten speichern können. Wir brauchen also neben den erneuerbaren Energien ein komplettes zweites System der Energieerzeugung.
+ Es rächt sich bitter bei der Energiewende, dass die Koalitionen von SPD/Grünen bzw. CDU sich für den planwirtschaft-lichen Weg entschieden haben und Markt- und Wettbewerbsmechanismen ausgeschlossen haben. Wer wann wo wie und wie viel Strom produzieren und verbrauchen soll – das alles wird zentral geplant, so die Grundidee. Verbote, Dirigismus und Be-vormundung werden kombiniert mit Subventionen und Umverteilung. Mittlerweile gibt es eine riesige Bürokratie, die mehr als 5000 verschiedenen Einspeisevergütungen verwaltet. Die mangelnde Transparenz des Systems ist der beste Nährboden für Lobby-Interessen. Die Vorschläge von Monopolkommission, Sachverständigenrat, Expertenkommission für Forschung und Innovation finden kein Gehör.
+ Eine Studie der Universität Köln zeigt, wie viel es kostet, in Deutschland eine Tonne CO2 einzusparen. Mit Fotovol-taik kostet es 400 €, mit Windenergie in der Nordsee 135 €, an Land 50 €. In konventionellen Kraftwerken kostet die Vermeidung einer Tonne CO2 etwa 6 €. Deutschland vergeudet also sein Geld, indem wir die teuersten Verfahren der CO2-Reduzierung bevorzugen. Realistisch betrachtet wird die Welt das Ziel, den Anstieg der Erdtemperatur auf 1,5 – 2 Grad zu begrenzen, nicht erreichen. Mehr denn je kommt es darauf an, zu untersuchen wie wir uns dem Klimawandel anpas-sen können und wie wir den Klimaschutz kosteneffizient gestalten können.
+ Ökonomen halten das ganze System für verfehlt. Sie werben für einen anderen Ansatz. Statt strittiger CO2-Mengenziele fordern sie, einen weltweiten Preis auf CO2-Emissionen einzuführen, als Steuer oder als Mindestpreis in Handelssyste-men. Dann würden jene Produkte teurer, durch die Klimagase freigesetzt werden. Es entstünde ein Anreiz zu klimafreundlichen Erzeugung.
Man muss feststellen: Wir haben einen energie- und klimapolitischen Irrweg eingeschlagen. Wir stecken enorm viel Geld in erneuerbare Energien, erreichen aber sehr wenig für den den Klimaschutz. Deutschland hat sich verpflichtet, den Treibhausgas-Ausstoß gegenüber 1990 bis 2030 um 55 %, bis 2040 um 70 % und bis 2050 um 80 % bis 95 %. zu senken. Um unsere Vorreiterrolle in der Welt wahrzunehmen, müssten wir massivste ökonomische Nachteile in Kauf nehmen. Unser Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß beträgt 2,2%. Das heißt, nicht unser Fortschritt ist für die Welt entscheidend, son-dern das international koordinierte Vorgehen, vor allem mit China und den USA, die zusammen über 40% des CO2-Ausstoßes verursachen. Bei den Sondierungen für eine Jamaika-Koalition geht es unter anderem darum, ob wir auf diesem Irrweg weitergehen, oder ob wir nicht endlich einen sinnvollen Weg einschlagen.
Henning Wagner