
Bundestag und Bundesrat haben das Schuldenpaket von CDU/CSU, SPD und Grünen beschlossen, die Unterschrift von Bundespräsident Steinmeier ist Formsache. Die Landesregierungen mit FDP-Beteiligung, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben nicht zugestimmt. Damit gibt Deutschland die solide Finanzpolitik auf und geht den Weg in den Schuldenstaat. Die geplante Koalition aus Union und SPD hat sich ihren Namen damit selbst gegeben: Es ist die "Schuko", die Schuldenkoalition.
Man muss sich das, was gerade geschieht, vor Augen halten: Deutschland hatte viele Jahresehr hohe und ständig wachsende Einnahmen (nur unterbrochen in den Corona-Jahren). Doch was machten die Regierungen mit diesem vielen Geld?
Sie beschlossen immer neue und höhere Sozialleistungen sowie Subventionen für Klimapolitik und anderes; sie waren international Spitzenreiter bei Entwicklungshilfe, waren sehr großzügig bei der Aufnahme von und den Leistungen für Migranten, und sie blähten die Verwaltung auf. Viel zu wenig Gelder flossen in all den Jahren in die Verteidigung, in die Infrastruktur-Investitionen und in die Modernisierung des Landes, etwa durch Digitalisierung. Parallel stieg die Belastung der Wirtschaft von Jahr zu Jahr: die im internationalen Vergleich viel zu hohen Steuern, die behäbige Bürokratie mit ausufernden Vorschriften und absurd langen Planungs- und Genehmigungsprozessen, die viel zu hohen Energiekosten, die starre Arbeitsgesetzgebung u.a.m. zwingen die vormals leistungsfähige Wirtschaft in die Knie. So sank die Industrieproduktion seit 2018 um 20%. Die Meldungen von Arbeitsplatzabbau und Werkschließungen häufen sich. In den Ampel-Jahren wurde einiges mehr in Verteidigung und Infrastruktur investiert, einige Planungsprozesse wurden vereinfacht, doch der Effekt blieb überschaubar. Kurz gesagt, Deutschland lebt über seine Verhältnisse, seine Wirtschaft ist in einer sehr kritischen Lage.
Durch die aktuelle außenpolitische Entwicklung, die verbrecherische, aggressive Politik Putins und Trumps Unberechenbarkeit muss nun sehr rasch, sehr viel Geld in die Verteidigung fließen, zusätzlich besteht der Investitionsstau. Diese Situation war vor den Wahlen bekannt. Die Union unter Merz vertrat - wie die FDP - die Position, dass man den größten Teil der erforderlichen Finanzmittel durch Kürzungen anderer Posten im Bundeshaushalt finanzieren kann und soll. Nach der Wahl vereinbarte Merz mit der SPD das Schuldenpaket, die überbordenden Ausgaben werden nicht gekürzt. Man kann Merz' dreiste Kehrtwende mit Fug und Recht die größte Wählertäuschung in der Geschichte der Bundesrepublik nennen.
Der SPD kam die Merz'sche Wendung sehr gelegen. Seit den Hartz4-Reformen ist es ihre Strategie, durch die kontinuierliche Ausweitung der Sozialleistungen Wahlerfolge zu erzielen. Mindestlohn, Rente mit 63, Grundrente, die Bürgergeldreform sowie das aktuelle, zum Glück von der Ampel nicht mehr verabschiedete Rentenpaket sind Beispiele dafür. Keine Rolle spielt es für die SPD, dass diese ausufernden Sozialleistungen kaum mehr erwirtschaftet werden können und dass sie die finanziellen Lebenschancen der mittleren und jungen Generation massiv einschränken. Entweder sie verstehen es nicht oder es ist ihnen schlicht egal.
Die Botschaft der Schuko, der Schuldenkoalition, an die Bürger ist nun: Wir brauchen keine umfassenden Reformen und kürzen nicht (oder nur ganz wenig) bei den überzogenen Ausgaben in Sozialsystem und Migration, bei Klima-Subventionen etc., stattdessen finanzieren wir diese immensen Summen einfach über Schulden. Über 1000 Mrd. € dürften es wohl werden. Lautstark wird nun verbreitet, das könne man dauerhaft ohne negative Folgen tun: "Freibier für alle und für ewig". Doch das wird sich als Illusion erweisen.
Die FDP hätte einer begrenzten und befristeten Kreditfinanzierung der Verteidigung zugestimmt, lehnt aber die Schuldenfinanzierung der Investitionen und das Beibehalten der überbordenden Ausgaben ab.
Doch die "Untaten" der Schuko gehen über die Schuldenfinanzierung von Verteidigung und Infrastruktur hinaus. Sie tricksen und verschaffen sich zusätzliche Spielräume für die regulären Ausgaben im Haushalt. Sie wollen sogar weitere Sozialleistungen und Subventionen einführen: so die Ausweitung der Mütterrente, die Wieder-einführung der Agrardiesel-Subvention oder die Mehrwertsteuer-Reduzierung für Restaurants.
Das Schuldenpaket enthält drei Teilpakete, die Verteidigung, die Infrastrukturinvestitionen und das Teilpaket für die Bundesländer. Bei den beiden großen trickst die Schuko. Bei der Verteidigung können alle Ausgaben, die 1% der Wirtschaftsleistung übersteigen (volkswirtschaftlich: Bruttoinlandsprodukt, kurz BIP), das sind rd. 44 Mrd. €, unbegrenzt und unbefristet an der Schuldenbremse vorbei finanziert werden. Bereits heute sind aber 1,2% des BIPs im Bundeshaushalt für Verteidigung geplant. Sprich 9 Mrd. € pro Jahr werden in den Topf außer-halb der Schuldenbremse geschoben und stehen im Haushalt für anderes zur Verfügung. Bei den Investitionen wurde mit Zweidrittel-Mehrheit eine - formal zulässige - Ausnahme von der Schuldenbremse beschlossen: 500 Mrd. € stehen in den nächsten 12 Jahren zur freien Verfügung. Hier wurde nicht definiert, dass es im Vergleich zur Haushaltsplanung zusätzliche Investitionen sein müssen. Also dem Verschiebebahnhof wurden keine Schranken gesetzt. Das dritte Teilpaket besteht darin, dass die Bundesländer ebenfalls 0,35% des BIPs jährlich als Schulden aufnehmen können. Das sind 16 Mrd. € im Jahr.
Durch sein tolpatschiges Verhalten war Merz in der Verhandlung mit den Grünen in einer schlechten Position und musste Zugeständnisse machen. Sie erreichten, dass es sich bei Teilpaket "Infrastrukturinvestitionen" um zusätz-liche Investitionen handeln muss. Doch diese löbliche Regelung konterkarierten die Grünen mit der nächsten Vereinbarung. Unter "Verteidigung" sollen nun auch Zivilschutz, Ausgaben für Geheimdienste oder Leistungen für angegriffene Länder (sprich: die Ukraine) fallen. Da die 1%-Regel unverändert blieb, steigt damit der Betrag an Verteidigungsausgaben, der außerhalb der Schuldenbremse finanziert werden kann, von 9 Mrd. € auf 23 Mrd. €.
Zusätzlich setzten die Grünen durch, dass 100 Mrd. € des Infrastruktur-Topfes in den Klima- und Transforma-tionsfonds fließen. Das hilft den Grünen, ihre verkorkste Klimapolitik zu verteidigen. Die deutsche Variante der Klimapolitik wurde von rot-grün unter Kanzler Schröder gestartet und von den Regierungen Merkel i. W. unverändert fortgesetzt. Sie führt zu sehr hohen Kosten (Energiepreise, Hunderte von Mrd. € Subventionen in Erneuerbare) und einem sehr geringen Nutzen: so sind nach 25 Jahren grüner Klimapolitik die CO2-Emissionen je Kopf in Deutschland um 50% höher als z. Bsp. in Frankreich. Mit anderen Worten: nur durch dauerhafte Subventionen lässt sich die Illusion einer "erfolgreichen Klimapolitik" halten.
Nun will die Union in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD Reformen bei Wirtschaft, Staat und Migration erreichen. Doch sie hat sich in eine schlechte Verhandlungsposition manövriert. Ich bin skeptisch, dass sie Substanzielles erreicht.
Das Schuldenpaket belegt, wie sehr es unserem Land schadet, dass die FDP den Einzug in den Bundestag verpasste. Mit uns hätte es diese unseriöse Politik - bei allen schmerzhaften Kompromissen - so nicht gegeben.
Henning Wagner
Vorsitzender FDP Strohgäu