LKZ Artikel vom 22. 02. 2018
„Koalition ist Gift für Demokratie“
Beim Politischen Aschermittwoch bei der FDP gibt es viel Kritik an der SPD. Nachfragen gibt es aber auch zum Scheitern der Jamaika-Koalition.
Beim politischen Aschermittwoch der FDP in der Gemeinschaftshalle kreiste die Diskussion hauptsächlich um die Nachwehen seit der Bundestagswahl. Doch nun seien die Freien Demokraten wieder da. Einige Gäste, allen voran einige Hemminger CDU-Mitglieder, haderten mit der nahenden Neuauflage der Groko und forderten eine Stellungnahme, warum FDP-Chef Christian Lindner die Jamaika-Verhandlungen abgebrochen hat.
Zunächst lieferte der Ehrengast des Abends, FDP-Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr, eine Abrechnung aus dem Blickwinkel der Liberalen in der Opposition. Reich-Gutjahr, einst vom FDP-Kreisverbands-Ehrenvorsitzenden Dr. Wolfgang Weng gefördert, lästerte über die SPD („Was für ein Schauspiel!“) und kritisierte die Ergebnisse: „Zukunft findet im rot-schwarzen Koalitionsvertrag höchstens noch am Rande statt.“ Reich-Gutjahr sagte tatsächlich rot-schwarz und nicht schwarz-rot. Dass mehr Rot und kaum Schwarz in der Koalition sei, ärgerte auch die Anwesenden.
Wenn sie an die vorige Groko denke, falle ihr von der CDU nur die Maut ein, sagte Reich-Gutjahr. „Und die SPD ist zu blöd, ihre eigenen Erfolge zu vermarkten.“ Über die von den Sozialdemokraten beklagte „Gerechtigkeitslücke“ falle ihr nur ein: „Die SPD hat 15 Jahre mitregiert, wenn die Gerechtigkeitslücke immer noch da ist, ist es Zeit, die SPD abzuwählen.“ Die 50-köpfige Runde amüsierte die Schlussfolgerung. Ihr wäre eine Minderheitsregierung am liebsten gewesen, sagte die Abgeordnete, die Große Koalition sei „Gift für die Demokratie“.
Wohnungsbau im Mittelpunkt
Landespolitisch betrachtet führte sie das drängende Problem um den Wohnungsbau etwas näher aus. 512 000 Wohneinheiten fehlen laut einer Prognose im Land, „und wir streiten in der Koalition um die Netto-Null im Flächenverbrauch. Irgendwann ist Schluss. Wenn es von etwas zu wenig gibt, wird es teuer.“ Die Gleichung sei bei den Grünen noch nicht angekommen. Ihr Rat: „Werden Sie Eidechse, da geht es Ihnen gut.“
Georg Henke aus Schwieberdingen meinte, die Wohnungsnot sei eine „hausgemachte Sache“, weil die einst von Post, Bahn und Bund gebauten Wohnungen „billigst verkauft“ worden seien, als notwendige Sanierungen angestanden hätten. Ausländische Wohnungsbaugesellschaften hätten den günstigen Wohnungsmarkt dann kaputt gemacht. „Ich möchte wissen, warum Herr Lindner die Jamaika-Koalition hingeschmissen hat, darum bin ich gekommen“, sagte der ehemalige Hemminger CDU-Gemeinderat Peter Huber. Reich-Gutjahr erläuterte den aus ihrer Sicht notwendigen Schritt, da sei ein Blick in den Koalitionsvertrag, der nur Absichtserklärungen enthalte, aufschlussreich. „Die Frage ist, kann ich Kompromisse machen, wenn ich nicht hinter der Linie stehe?“ Von den vier Themen, meinte auch Wolfgang Weng, habe die CDU der FDP nichts zugestanden. Anders als nun der SPD. „Lindner ist für mich ein anderes Kaliber als Brüderle und Westerwelle“, sagte Günther Frölich von der Bundespartei der Freien Wähler.
Außerdem berichteten Medien seiner Ansicht nach nicht objektiv. „Es geht mir auf den Zeiger, wie wir von der Presse manipuliert werden“, wetterte er. Frölich sieht den Wähler „verarscht“. Man wähle doch eine Partei, damit diese in die Regierung geht und nicht in die Opposition. „Die Wahl gehört meiner Meinung nach annulliert.“ 25 Prozent der Wähler fielen weg – AfD und Linke –, rechnete Dr. Henning Wagner vor. Blieben 75 Prozent, was automatisch bedeute, dass die CDU wieder an der Regierung sei – das sei die Strategie dahinter.
Silvia Haiduk